„Und ich sags nochmal: Der verdammte Arcturus hätte einfach nur seinen Schwanz in der Hose lassen müssen, wie sich das fürn Paladin gehört.“

„Gerbrandt, die Kinder…“

„…sind alt genug um noch hier zu sein also können sie ruhig hören wem sie all das zu verdanken haben. Dieser Schlampe aus dem Süden nämlich und unserem Bock von einem…“

Der Junge von etwa 14 Jahren am Tisch grinste nur.

Niklas hörte nicht mehr zu. Tagelang ging das jetzt schon so. Seit sie hier auf dem Hof festsaßen maulte und stänkerte sein Onkel über die Obrigen und das was er meinte über diesen ganzen Schlamassel gehört zu haben. Anfangs hatte Niklas ihn noch mit Alkohol betäubt, aber der war nun seit zwei Tagen aufgebraucht und an neuen kamen sie nicht. Denn draußen auf dem Hof und in den Feldern wanderten jene schrecklichen Gestalten, die längst unter der Erde in Frieden ruhen sollten. Mal waren es mehr, mal weniger aber sie verschwanden einfach nicht. Langsam fragte er sich, ob er für seine Sturheit sein Leben lassen würde – da draußen beim Versuch dem Rest seiner Familie zu folgen, die früher eingesehen hatten wie gefährlich die Lage wurde, oder hier drin wenn sie doch reinkamen oder das Wasser ausging… Aber für den Moment regnete es und die Vorräte im Keller würden noch eine Weile halten wenn er auch an das Saatgut ging. Nur ob er Gerbrandt nicht doch noch erschlagen würde, da war sich Niklas nicht sicher. Familie konnte ein echter Fluch sein.

„PAPA!“ riss ihn die Stimme seines Mittleren von oben aus seinen Gedanken. „Da kommt wer!“

Niklas schaute in die Augen seines Onkels und wusste, dass der alte Griesgram ähnlich dachte wie er: Die Chancen standen gut, dass es Plünderer waren oder mehr Mäuler zu stopfen. Im ersten Fall würden sie den Hof verteidigen, im Zweiten Fall wäre ein Streit vorherbestimmt. Der alte Mann konnte richtig garstig werden wenn es darum ging etwas kostenlos herzugeben. Das hatte ihn zu einem guten Verkäufer am Markt gemacht, aber nicht zu einem guten Menschen.

„Geht das etwas genauer, Junge? Wie viele und wie sehn sie aus?“ rief Gerbrandt und rührte sich kein Stück von seinem Sitzplatz. Niklas hatte schon den Blick schweifen lassen und geprüft, ob die Mistgabeln und Flegel an ihren Plätzen standen und stand nun auf um selbst nach oben zu gehen. Die Fenster hier unten hatten sie alle verrammelt und vernagelt.

„Ein gutes Dutzend mit vollen Wagen. Fünf kommen vom Weg rüber. Mit Waffen.“

Niklas nahm die Stufen jetzt paarweise.

„Jetzt kämpfen sie gegen einen Schlurfer“

Niklas erreichte das Ende der Treppe und stellte sich hinter seinen Sohn ans Fenster. Er sah zwei Männer mit langen Waffen. Die Kleidung des einen hing regennass und ehemals weiß und mit Symbolen vierziert an ihm herab und sein Helm glänzte strahlend selbst bei dem Sauwetter, der andere war bunter gekleidet und trug weniger glänzende Rüstung. Der Untote ging nach wenigen Hieben zu Boden und die beiden gingen zielstrebig, aber nicht schnell auf die anderen umherwankenden Leichen zu, die sie offenbar auch bereits bemerkt hatten. Hinter den Männern folgten Frauen, was Niklas erstaunte. Doch mindestens eine davon hatte ein Schwert gezogen, soweit er es erkennen konnte. Die anderen beiden trugen große Hüte. Magierinnen vielleicht…hoffentlich keine Staats…aber nein, er ertappte sich dabei den Fremden zu schnell Dinge zu unterstellen. Die Hüte konnten einfach gegen den Regen sein. Außerdem schien es, als ob diese Leute gerade ihren Hof von umherwandernden Leichen befreiten.

„Papa, sind das Ritter? Retten sie uns?“

„Ich weiß nicht. Wie einer unserer Paladine sieht er nicht aus. Vielleicht auch nur Soldaten, die Essen suchen.“

„Ich glaube sie sind Ritter aus dem Märchen. Deswegen auch der Pilz.“

Niklas sah seinen Sohn irritiert an: „Der Pilz?“

„Ja, sie haben einen laufenden Pilz dabei.“

Niklas beeilte sich noch eine Blick auf die Fremden zu erhaschen. Und in der Tat: Der Hut der einen Frau, so rot sah aus wie der eines Fliegenpilzes. Er musste lächeln. Eine Seltenheit in letzter Zeit.

 

„Lebt hier noch jemand? Benötigt ihr Hilfe?“ erschallte ein Ruf von draußen.

Niklas nahm seinen Mut zusammen und rief hinunter: „Wer seid ihr?“

„Das hier ist Ritter Helmbrecht und ich bin Emilé, zu euren Diensten. Wir sind hier um euch beizustehen und wenn ihr Nahrung braucht können wir auch damit aushelfen. Mit den besten Grüßen aus Veldenz. Wenn ihr wollt, lehren wir euch auch wie ihr euch dieser Abscheulichkeiten entledigt.“ Lautete die Antwort von draußen.  Als sich das Gesicht seines Sohnes zu Niklas umdrehte strahlte es von einem Ohr zum anderen.