Brief an Minzi

Meine liebste Minzi!
So viel ist geschehen, dass ich es kaum in einem Brief zu beschreiben vermag. Du weißt ja, dass ich gemeinsam mit unserem ansehnlichen Arcturus und dessen lieben Knappen Georg und Josef (genau! DEM Kraul-Knappen!) vor einigen Tagen auf die Einladung des Chevaliers Matteo da Ponte zu seinem Anwesen nach Semanto aufgebrochen bin. Zuvor hat mich unser werter Komtur auf Knien angefleht, ihn zu begleiten, damit ich ihm Marás Segen in einer Angelegenheit delikaterer Natur geben kann. Und zwar – du wirst es nicht glauben – war Arcturus hier auf eingefädelter Brautschau! Der Marchese von Aturien und Arcturus‘ Vater Ludwig hatten den Plan einer arrangierten Ehe für das politische Wohl der beiden Länder ausgeheckt. Mich durchfährt Schmerz allein vom Schreiben dieser Worte. Wie können diese zwei alten Herren es wagen, das heilige Band der Ehe, die tiefste Verbundenheit zweier Seelen so für ihre eigenen politischen Zwecke zu beschmutzen! Ihre eigenen Kinder als Spielfiguren zu verschachern und ihnen zu befehlen, Marás heiligstes Gut als Vorschein zu nehmen, zwei Seelen in ein Band zu zwängen, die nicht zusammen gehören, die dies vielleicht gar nicht miteinander teilen möchten. Pfui! Das grenzt in meinen Augen einem Frevel der beiden Fadenzieher. Atmen Hasel… Atmen…
Nun gut, entsprechend skeptisch begann ich diese Reise, Arcturus habe ich klargemacht, dass ich ihm Marás Segen für diese Verbindung nur dann gewähre, wenn ich ehrliches Interesse erkennen kann, glühende Anziehung sowie feurige Leidenschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht.
Du kannst dir also nicht vorstellen, wie aufgeregt unsere Reisegesellschaft zu Beginn war. Josef und Georg auch aus einem anderen Grund, schließlich haben die beiden noch nie an einem höfischen Ereignis teilgenommen.
Minzi, lass mich dir also von diesem edlen Hof erzählen: Beim Blick auf das Anwesen kann man die finanziellen Mittel des Chevalieres nur erahnen: Eine einladende mediterrane Atmosphäre erstreckte sich vom Bankettsaal bishin zu den kleinen Nischen im Gartenbereich, in denen man immer wieder tuschelnde Zofen erblicken konnte. Auch die Angehörigen des Hofes kleideten sich in den feinsten Gewändern, manch Dame wechselte ihre prächtigen Kleider sogar im Stundentakt. Verblüffend!
Als wir am Abend dann endlich die viel besprochene Baroness Antonella kennenlernen durften, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Eine wilde Schönheit, so geistreich und voller Esprit, dass es mir ein leichtes war, sie sofort in mein Herz zu schließen. Und meines war – Mará sei Dank- nicht das einzige, welches jene Dame gewann. Auch unser lieber Arcturus konnte seine Augen kaum von ihr lassen!
Schnell knüpfte ich mit ihr zarte Bande der Freundschaft und so ließ sie mich exklusiv an ihrer Sammlung von diversen Tränken teilhaben. Unter anderem bot sie mir einen Liebestrank an, den ich äußerst kritisch begutachtete. Anderen Liebe gewaltsam aufzuzwingen geht schließlich gegen alles, für das ich stehe. Aus diesem Grund wollte ich mir zuerst selbst ein Bild von der Wirkung des Tranks machen, weshalb ich diesen in einem Akt der Selbstaufopferung trank. Je nach Auswirkung wollte ich der weiteren Verbreitung des Trankes Einhalt gebieten, doch dazu später mehr…

Im Rahmen der Brautwerbung hat Arcturus Antonella auch ein Portrait von sich geschenkt, zahlreich bestückt mit den besten Stücken der Natur. Subtil hat der Maler so Symbole der Fruchtbarkeit eingearbeitet, um die Potenz von Arcturus zu unterstreichen.
Ganz auf den Geschmack gekommen gab Antonella daraufhin Essiggurken für die Runde in Auftrag, die von den Beteiligten liebe- aber auch maßvoll verspeist wurden. Beflügelt von Antonellas leckerer Neckerei hat allein Arcturus seine Ausdauer und Standhaftigkeit bewiesen, indem er bis zum letzten Gürckchen eines nach dem anderen genüsslich verschlang – stets in intensivem Blickkontakt mit der Baroness. Ihr schien diese Art der Balz sehr zu gefallen, wieso sonst waren ihre Wangen gerötet und ihr Mund zu einem schelmischen Lächeln verzogen?
Besonders Georg schien auch eine Schwäche für Gurken zu haben, weshalb er von den anderen flüsternd ‚der Gurkenknappe‘ genannt wurde – oder hat der Name eine andere Bedeutung?
Etwas verwirrt war ich jedenfalls, als Arcturus im morgendlichen Göttinnendienst einen Kampfsegen nach Sareph beschwor, um sich ich zitiere „für die bevorstehende Schlacht mit Antonella“ zu stärken. Ach Arcturus, wie kann er Liebe nur für einen Kampf halten?
Jedenfalls war die Brautwerbung des Komturs recht erfolgreich: der Marchese hat beim Bankett zu beider Glück verlauten lassen, dass Arcturus nun endlich auch offiziell um Antonella werben darf. Allerdings war dies nicht ohne politisches Vorspiel möglich: Unser Komtur musste zuvor öffentlich verlauten, dass die Strafe der nekromantischen Feldarbeit binnen eines Jahres in Lauenbach abgeschafft werden würde. Wie er das allerdings in besagter Zeitspanne schaffen möchte, ist mir ein Rätsel.
Antonella hat vor ihrem Abschied übrigens in diesem süßen Spiel der Liebe den nächsten Zug getan: Eingewickelt in ihr blutrotes Gunstband durfte ich Arcturus ein wunderschönes Portrait von ihr überreichen, in dem sie einen angeschnittenen Apfel in ihrer zarten Hand hält. Dieser Apfelspalt erweckte in Arcturus‘ Augen sichtbar Appetit!

Für Georg und Josef war die Reise in Hinblick auf ihre Knappenausbildung ein großer Erfolg: Beide konnten Fuß in der aturianischen Hofsitte fassen und freundeten sich rasch mit den anderen Knappen an. Sie lernten eine Reihe kompliziert aussehender Kampfpositionen, aber auch den Umgang mit dem Adel, z.B. als sie Arcturus und mir beim Bankett als Mundschenke aufwarteten. Auch auf dem Parkett machten sie eine glänzende Figur und wirbelten ihre Tanzpartnerinnen geschickt umher.
Ich durfte sogar Zeugin eines Wunders sein, bei dem beide Knappen von ihnen ausgewählten Damen ‚angenehme Visionen‘ durch Mará schenkten. Nie war ich stolzer auf sie als in diesem Moment, als meine Göttin den beiden ihre Gunst schenkte.

Und ja Minzi, ich weiß, du wartest schon sehnlichst seit einigen Zeilen darauf, wie es nun mit mir und dem Liebestrank weiterging… Ich kann dich beruhigen, heilige Liebe kann er keineswegs entfachen. Was Antonella unter ‚Liebe‘ versteht, ist nichts anderes als ein selbstwirkendes Ästhetikum, das sein Gegenüber einen Hauch schöner erscheinen lässt.
Und da ich einen der Herren ohnehin recht stattlich fand, suchte ich mir also diesen Einen namens Gottfried von Greifenstein aus, einen Reichsritter aus Allerland und gab ihm verschleierte Hinweise, dass ich gerne von ihm beminnt werden würde. Du weißt ja, dass ich das Konzept der Minne nicht als logisch nachvollziehbar erachte: Wieso sollte man sich scheinbar zieren, wenn man die Zuwendung des Minnenden eigentlich genießt und willkommen heißt? Deshalb wollte ich primär der diplomatischen Neugier wegen (sekundär natürlich für mein eigenes Vergnügen) dies am eigenen Leib erfahren. Gottfried tat in den nächsten Tagen also sein Bestes, mir die Hohe Minne zu zeigen. So hielt er beim Tanz meine Hand ein, zwei Sekunden länger als es sittlich gewesen wäre. Verstohlene Blicke wurden ausgetauscht. Er brachte mir Brot mit Butter, weil ich dieses Gelüst einige Minuten zuvor nebenbei im Gespräch erwähnte. Er brachte sogar mir UND einem Knappen, der mir gerade Siam beibrachte, ein Dessert, weil dieser „für meine Unterhaltung sorgte“…
Minzi, ‚Minne‘ ist zusammengefasst also eigentlich das, was ich auch täglich im Kreis der Feuerlanze erfahre, wenn sich die werten Herren besonders emsig daran erinnern, dass sie in einem Matriarchat leben.

P.S. Die Schutzzauber um den Altar funktionieren übrigens immer noch bestens! Ein besonders mutiger Knappe hat wohl Gefallen an einer prächtigen Phalluskerze auf dem Altar gefunden und diese entwedet, um sie auf dem Pfauen-Obst-Buffet zu drappieren. Sarephs Wut breitete sich brennend nur Sekunden später in seinem Schritt aus und ließ ihn vor dem Altar um Gnade winseln. Hach es ist einfach immer wieder erstaunenswert, den Zorn Sarephs wahrhaftig zu erleben.
Im Namen der Zwillinge, zwei und doch eins!

Meine Liebe, ich freue mich, dich in Bälde wieder in die Arme schließen zu können,
Deine liebevoll an dich denkende Hasel

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