Ein Brief des Gardisten Johann Klein an seine Schwester

Liebste Schwester,

Jetzt habe ich mal endlich Zeit gefunden zwischen den Wachschichten und der Ausbildung in der Ordensburg dir einen Brief zu schreiben.

Vor einigen Wochen war ich mit einigen Mitgliedern der Feuerlanze auf dem Fest der Drachen. Das ist ein Wettstreit zwischen 10 verschiedenen Drachen, in dem sie entscheiden wer über das kommende Jahr herrschen soll.

Die Feuerlanze ist dem Ruf des goldenen Drachen gefolgt, der für Gerechtigkeit aber auch gleichzeitig Verrat steht. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten. Wir bauten schnell unser Lager auf, denn direkt am ersten Abend mussten wir noch zu einer Trauerfeier ins Lager des silbernen Drachen. Bei einer Schlacht im Frühjahr, in der die Feuerlanze dem silbernen Orden beistand, verstarb leider die Frau des ersten silbernen Paladins und ihr sollte so eine letzte Ehre gebührt werden. Doch dann passierte etwas, was ich selbst nicht ganz begriff: Inmitten der Trauerfeier tauchte ein Wesen auf, das wohl die wiederbelebte Frau des ersten silbernen Paladins war. Die Trauerfeier wurde danach beendet und wir kehrten in unser Lager zurück.

Innerhalb der nächsten Tage stellten wir uns dem Wettstreit der Drachen, griffen andere Lager an, um ihr Banner zu erobern oder unser eigenes zu verteidigen. Ich bin auch einige Male auf dem örtlichen Stadtfriedhof ohne Erinnerungen wie ich dort hin gekommen bin aufgewacht. Es wurde mir erklärt, dass man während des Drachenfest, wenn man sterben sollte, wiederbelebt wird, und dann auf dem Stadtfriedhof aufwacht.

Sonst war das Fest geprägt von diversen Gerichtsverhandlungen. Unser allseits geliebter Komtur ist nicht nur der Heerführer der Feuerlanze, sondern auch der Hochrichter des goldenen Drachen…wir sollten offen sein für alle Gerichtsfälle, die nicht vom Stadtgericht verhandelt werden. Wir hatten Landstreitigkeiten, oder auch andere „normale“ Dinge erwartet…was kam? Gefühlt jeder wollte direkt die Avatare der Drachen verklagen, oder ganze Lager. Es wunderte mich, dass nicht auch noch Klage gegen das goldene Gericht bei uns, dem goldenen Gericht eingereicht wurde. Da blieb noch einiges an Arbeit für uns übrig für das nächste Fest der Drachen.

Eines meiner schönsten Erlebnisse war einer unserer Göttinnendienste, der, während die ganze Truppe im Badehaus war, im Zuber stattfand. So konnten wir durch die Wärme des Badewasser die Hitze Sarephs in uns spüren.

In der Mitte des Festes gab es einen Festfrieden, an den wir erfahren haben, dass das Lager des Goldenen in Führung lag. Den Sieg für den goldenen Drachen zu erlangen war somit mehr als machbar. So strengten wir uns weiter an, sowohl im Kampf als auch in anderen Aufgaben. Am letzten Wettkampftag gab es eine Schlacht zwischen allen Lagern – In der wir den Sieg über alle anderen Lager erlangten! Damit brachten wir auch den Gesamtsieg für den goldenen Drachen ein und können uns auf ein goldenes Jahr freuen.

Es gibt noch so viel mehr von dem ich berichten könnte, nur leider geht mir das Papier aus. Ich muss dir wohl in meinen nächsten Brief, oder wenn wir uns das nächste Mal sehen sollten, davon berichten.

In Liebe dein Bruder,

Johann

Aus dem Tagebuch von Gwaëw'lim

Requiem

Festfrieden. Sommers Wärme, goldenes Geschenk, liegt über der Festinsel. und auf dem Kampfplatz unseres Lagers herrscht Krieg. Etwa dreissig Goldene streiten sich mit Fäusten, Worten und jeglichen Waffen, derer sie habhaft werden konnten, in ständig wechselnden Allianzen darum, wer als letzter von ihnen noch stehen wird. Des Sommerkrieges Diplomatie. sehr kurzgefasst.

Ich stehe am Rand. die rote Maske mit den goldenen Zeichnungen, Begleiter durch diverse Rituale, auf der Stirn. und spüre, wie das, was sie dort tun, erste Kräfte weckt. wie Licht und Schatten und wechselnde Gleichgewichte in Richtung des Kraftplatzes zu fließen beginnen. und weiß, dass – gleich – auch ich meinen Teil dazu beitragen werde. und als es weniger und weniger Krieger werden, die noch kämpfen können, tue ich etwas, das ich sonst doch nie tue. Ich nehme die Stola ab, die mich als Priester des Goldenen kennzeichnet. und reiche sie dem – mir bisher unbekannten – Krieger direkt neben mir, der verspricht, respektvoll darauf aufzupassen. ich lächele sacht über den ungewohnten Ernst, mit dem er meine einfache Bitte behandelt. – dann hallen Applaus und Rufe über den Kampfplatz. Nur unser Heerführer steht noch auf seinen eigenen zwei Beinen. Der Goldene nickt zufrieden. und noch inmitten der anderen Zuschauer stehend, entfalte ich das Bündel Stoff, dass ich in den nun fahrigen Händen halte.

„Wir weihen diesen Ort, ihm, der Gerechtigkeit von Recht scheidet!“ Waruds Worte verhallen über den Platz und dort, mir fast genau gegenüber, tritt Arcturus, des Goldenen hoher Richter, aus der Menge. ich weiß, was ich zu tun habe, und zögere doch für einen Wimpernschlag. „Des Goldenen Gerechtigkeit ist nie einfach!“ Des Richters Stimme erklingt in klaren, lauten Worte. „und manchmal, das wissen wir alle, ist das Recht nicht genug. und wir müssen um der Gerechtigkeit willen das Recht brechen!“ Die Streiter des Goldenen bekunden ihre Zustimmung offen und deutlich hörbar. Und ich bewege mich. Meine Füße tragen mich vorwärts, durch die vorderste Reihe auf den leeren Platz, auf dem Arcturus mir entgegenblickt. und mit einem letzten tiefen Atemzug lege ich mir die fremde Stola, der meinen doch so ähnlich, um die Schultern.

Sie ist lang. viel zu lang für mich. für einen soviel größeren Mann gemacht. und für einen weiteren Augenblick zögere ich, unsicher, ob diese Geste nicht einfach nur anmaßend ist im Lauf der Welten. dann trifft mein Blick den des Richters und die Worte kommen, als wären sie nicht länger meine allein. Es ist, als würde er neben mir stehen, mit mir die Worte finden, die es hier braucht. Klar und laut und mit der ihm eigenen Ruhe hallen sie über den Platz. „DAS ist ein so kurzsichtiger Weg der 2. Welt. Gerechtigkeit IST das Recht. Wer, sag mir, wer auf dieser Welt gibt DIR das Recht, Recht zu brechen?“

Arcturus Augen funkeln mit Stolz, als er die Worte seiner Erwiderung formuliert. verteidigt, dass Gesetze sterblicher Hand und sterblichen Geistes doch fehlbar sein müssen. wir umkreisen einander wie Kontrahenten. und ich finde mein Lächeln in unserem Disput, als ich die Worte führe, die ich doch einst selbst gar nicht hören wollte. Dans Worte. Goldene Worte seines goldenen Weges jener anderen Welt. so ruhig, so bedacht, nie wütend auf uns, die wir ihm doch so fremd waren. Worte, die Recht und Gerechtigkeit gleich stellen. die Gerechtigkeit IM Recht fordern, nicht ihm vorziehen. weise Worte, die wir nun führen werden. für ihn.

wieder und wieder kontern wir einander, als würden wir schon ahnen, was der andere uns vorwerfen wird. „keinem Angeklagten ist damit geholfen, wenn ungerecht Recht über ihn gesprochen wird!“ Arcturus Worte. Wahrheit. wir stehen direkt voreinander in diesem Moment, Auge in Auge. und wieder fühlt es sich an, als würde ich nicht allein sprechen. als wäre ich nicht allein. „aber niemandem, wirklich niemandem ist geholfen, wenn du wieder und wieder und wieder das Recht brechen musst, um gerecht zu sein.“ mein Konter. Wahrheit. … wir sehen uns an. schweigend. in einem Gleichgewicht, dass keiner von uns allein halten kann. zwei Wege. beide wahr. und es bedarf keiner weiteren Worte.

wir verneigen uns, schweigend, voreinander. vor dem Verständnis eines anderen Weges. der dennoch nicht weniger golden ist. und Kraft entspringt daraus. fließt aus unseren Worten, unserem Wissen, unserem Wirken in den Kraftplatz. und der Goldene nickt – mit einem Lächeln.

wir verlassen das Rund in verschiedene Richtungen. und als ich wieder in den hinteren Reihen in der Menge stehe, halte ich an. Langsam und bedächtig lege ich die Hände um die Stola, die nicht die meine ist, und nehme sie ab. trage sie hinüber ins Lazarett, zum Brunnen und zum Schrein, wo ihr Platz sein wird, und ihre Ruhe…

Confotos (Link zur Quelle 1 und Quelle 2)

Fotografen: "Wintergrafie" Marco Winter und "Del-Ink" André